Vom Faustkeil zur modernen Sägelinie
Da Holz ein häufig vorkommender und leicht zu bearbeitender Werkstoff war und ist, ist die Holzbearbeitung so alt wie die Menschheit selbst. Bereits in der Steinzeit verfügte der Mensch über Werkzeuge zum Bearbeiten von Holz, etwa einfache Bohrer, Schaber, Beile und Äxte oder Spaltkeile.
Eine der ersten Möglichkeiten, Holz parallel zur Faser zu bearbeiten, war - neben dem Spalten - das Behauen. Erst mit steinernen, später mit axt-ähnlichen Werkzeugen (Bild links: Breitbeile) wurden Rundholzstämme behauen, um so einen möglichst rechteckigen Querschnitt zu erzielen.
Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde in unseren Breiten Holz manuell behauen, etwa für Berg- oder Alphütten ohne Zufahrtsstrasse.
Die ersten "Sägen"
Die ersten sägen-ähnlichen Werkzeuge waren Feuer- und andere Steine, welche auf der einen Seite schwach gebogen und leicht gezahnt waren; gezackte Faustkeile also. Diese Werkzeuge dienten dazu, Holz quer zur Faser zu schneiden, um beispielsweise dünne Stämme oder Äste durchzuschneiden. Die rechts unten abgebildeten Skizzen von "steinernen Sägen" dürften zwischen 5.000 und 8.000 Jahre alt sein.
Das Sägen, wie wir es heute kennen, war natürlich erst mit metallenen Sägeblättern möglich. Kupfer, eines der ersten Metalle welches die Menschheit kennen gelernt hatte, war jedoch zu weich, um daraus Sägen zu entwickeln. Durch die Legierung von Kupfer, Blei und Zinn entstand Bronze, welche zäher und widerstandsfähiger war und woraus die ersten Sägeblätter gegossen worden sind.
Die ältesten Zeitzeugen von metallenen Sägen wurden in Ägypten gefunden: kleine Bruchstücke von bronzenen Sägen mit feiner und grober Zahnung. Auch Reliefs und Zeichungen in ägyptischen Gräbern beweisen, dass die Ägypter schon vor mindestens 4.700 Jahren über Bronze-Sägen verfügten. In unsere Breiten kamen die Bronzesägen etwa ein halbes Jahrtausend später.
Diese ersten Sägen erinnern an heutige Stichsägenblätter, welche vermutlich mit hölzernen Griffen versehen waren, wie Funde von Sägen und Teilen davon - unter anderen in Schweizer Pfahlbausiedlungen - und von steinernen Gussformen belegen.
Über die Jahrhunderte sind die Sägen dann weiter entwickelt worden. Die Alten Ägypter etwa kannten die Bügelsäge (linkes oberes Bild), die Römer vor etwa 2.000 Jahren die Rahmensäge (linkes unteres Bild), welche bereits mit eisernen Sägeblättern ausgerüstet war.
Mit solchen Rahmen-, oder Klobsägen wie sie in Deutschland genannt werden, war eine Bearbeitung in Längsrichtung sehr gut möglich und Schnittholz für alle möglichen Anwendungen (Häuser, Schiffe, Brücken, Äquadukte, Kriegsgeräte, Wagen, etc.) konnte in grossen Mengen hergestellt werden. Ihren hohen Lebensstandard und die anfängliche Überlegenheit gegenüber anderen Völkern hatten die Römer somit zu einem nicht unwesentlichen Teil der technischen Entwicklung ihrer Sägen zu verdanken!
Ab und zu trifft man Rahmen- und ähnliche manuellen Sägen auch heute noch in Entwicklungsländern an.
Die ersten mechanischen Sägen
Die oben abgebildete Rahmensäge hat schon gewisse Ähnlichkeiten mit einem Gatterrahmen. Wann ist es der Menschheit erstmals in den Sinn gekommen, eine solche Säge mechanisch zu betreiben und damit Rundholz einzuschneiden?
Die Sägemühle von Hierapolis (Schemabild rechts) war eine römische wassergetriebene Steinsägemühle in der heutigen Türkei. Diese in die zweite Hälfte des dritten Jahrhunderts datierte Anlage ist die erste bekannte Maschine, bei der eine Drehbewegung mit Hilfe von Kurbelwelle und Pleuelstange in eine lineare Bewegung umgesetzt worden ist. Ähnliche Mechanismen sind von weiteren Ausgrabungen römischer Siedlungen bekannt - so könnte auch im schweizerischen Augusta Raurica (heute Augst/Kaiseraugst) eine Steinsäge gestanden haben, denn dort wurde eine metallene Kurbelwelle aus dem zweiten Jahrhundert entdeckt.
Auch wenn diese Sägen gemäss den Archälogen zum Sägen von Stein eingesetzt worden sind, so scheint es doch irgendwie naheliegend, dass mit ähnlichen Technologien auch Holz gesägt worden sein könnte. Jedoch fehlen die entsprechenden Beweise. Ein Mönch namens Theophilus beschreibt ums Jahr 1100 eine handbetriebene, einzahnige Sägemaschine, der französische Baumeister Villard de Honnecourt hinterlässt uns eine Skizze aus dem Jahr 1230 welche die Unterschrift "Auf diese Art macht man eine Säge, um selbsttätig zu sägen" trägt (Bild links). Darauf ist - bei genauem Hinsehen - erstmalig ein Vorschub-Mechanismus für das zu sägende Holz erkennbar.
Die vermutlich älteste urkundliche Erwähnung einer "Sägerei" stammt aus der Normandie. Das Städtchen Évreux (100 km westlich von Paris) erwähnt 1204 eine "Plankenmühle" in ihrem Besitz. Über deren Funktionsweise ist jedoch nichts bekannt. Aus Urkunden geht auch hervor, dass es 1267 eine Wasserkraftsäge im Schweizer Jura gegeben haben muss, 1340 eine Sägemühle in Zürich und 1361 eine in Graubünden. Den ältesten Beleg einer deutschen Säge liefert eine Bauamtsrechnung von 1322, welche eine Säge in der Nähe von Augsburg erwähnt.
Klammern wir die oben beschriebene römische Steinsäge einmal aus, war die früheste "Technologie" zur Umwandlung der Drehbewegung der Mühlradwelle (= Wellbaum) in die Hubbewegung des Gatterrahmens der Nockenantrieb. Zwei bis vier Nocken am Wellbaum haben am unteren Ende des Sägerahmens angegriffen, diesen durch die Drehbewegung des Wellbaumes angehoben und nach Erreichen der oberen Totpunktes wieder fallen gelassen. So kam der Sägerahmen zu seiner Auf- und Abbewegung (vgl. Skizze rechts, welche auch den komplizierten Vorschubmechanismus veranschaulicht). Das beim Hinunterfallen entstandene Klopfgeräusch war oft kilometerweit zu hören und gab diesen Sägen den Namen Klopfsäge; in der Schweiz auch Schlegelsäge. Die meisten Sägen bis Mitte des 15. Jahrhunderts funktionierten nach diesem Prinzip, welches auch Eisenhämmern und Knochenmühlen zur Hubbewegung verhalf.
Praktisch nur in der Schweiz gab es im 17. und 18. Jahrhundert einige Gnepfsägen, auch Gnepfen genannt, die sich jedoch nie richtig durchsetzten konnten. Zwar waren sie in ihrem Aufbau sehr einfach und kamen ohne Wasserrad und Transmission aus, jedoch waren sie auch nicht sehr leistungsfähig. Die Animation rechts zeigt die Funktionsweise: Ein Waagbalken trägt an einem Ende einen Wasserbehälter, am anderen ein Gegengewicht. Der volle Wasserbehälter bekommt das Übergewicht und die Waage kippt auf seine Seite. Durch die Schräglage des Wasserbehälters entleert sich dieser, das Übergewicht verlagert sich auf die andere Seite und die Waage kippt wieder in die Ausgangsposition. Mit diesem Auf und Ab wird der Sägerahmen in Bewegung gesetzt.
Im Deutschen Museeum München steht ein schönes Modell einer Gnepfe (M 1:10). Dort erfährt man auch, dass dieses Antriebsprinzip (Wasseranke) in China schon vor fast 3000 Jahren bekannt war - vermutlich jedoch nicht zum Betrieb von Sägereien.
Der Begriff Venezianersäge hat sich für eine ganze Epoche mit zahlreichen Entwicklungsschritten etabliert. Die Literatur spricht vereinzelt auch noch von der Augsburgersäge, die sich in einzelnen Details von der Venezianersäge unterscheidet. Da die Entwicklung zeitlich parallel verlief und sich die beiden Typen nach und nach vermischt haben, gehen wir hier nicht auf die Unterschiede ein.
Im 15. Jahrhundert wurde die Klopf- oder Schlegelsäge immer mehr durch einen Antrieb mit einem Kurbel/Pleuel-Mechanismus ersetzt. Diese ersten Venezianersägen waren ruhiger und der Schnitt erfolgte kontrollierter, was eine bessere Schnittholzqualität zur Folge hatte. Etwa hundert Jahre später kamen die ersten Holzgetriebe auf und dank diesen Übersetzungen konnte die Hubzahl - und somit die Leistung - der Sägen erhöht werden. Nach und nach entwickelten sich die Sägen weiter: Getriebe, Riementransmissionen, Vorschubsysteme, Antriebsarten (z.B. Wind); aber auch die Sägeblätter und die Schärftechnik wurden verbessert. Die unterste der drei Skizzen rechts zeigt eine voll entwickelte Venezianersäge, wie sie gegen Ende des 17. Jahrhunderts ausgesehen haben. Viele dieser Details davon finden wir sogar heute noch bei modernen Gattersägen! Die meisten der heute restaurierten historischen Sägen stammen aus dieser Zeit.
Zahlreiche Erfindungen an der Venezianersäge werden dem Künstler und Universalgenie Leonardo da Vinci (1452-1519) zugeschrieben. Sicher ist nur, dass er (oder zumindest seine Schüler) sehr viel dokumentiert und im berühmten Codex Atlanticus archiviert hat. Was davon er aber wirklich erfunden hatte und was "nur" Dokumentation des Standes der damaligen Technik war, lässt sich heute nicht mehr exakt sagen.
Die industrielle Revolution macht Dampf
Aus der Venezianersäge entwickelte sich das Bundgatter, bei welchem erstmalig mehr als ein Sägeblatt im Rahmen eingespannt werden konnte. Neu kommt der Begriff Gatter auf. Diese hatten aber einen schweren Start, da der erhöhte Kraftbedarf mit Wasserrädern nicht so einfach bereitzustellen war. Auch gab es so etwas wie politischen Widerstand gegen diese Technologie, da befürchtet wurde, dass diese neuen, leistungsfähigeren Maschinen für die unzähligen kleinen Sägewerke ruinös sein könnten. Die Geschichte wird sich wiederholen...
Zum Durchbruch verhalf dem Bundgatter die industrielle Revolution mit ihren Dampfmaschinen. Im Jahr 1802 standen in England und in den USA die ersten dampfgetriebenen Sägewerke, die sich rasch verbreiteten. Dass die Holzkonstruktionen langsam solchen aus Metall weichen mussten, versteht sich von selbst. Vor allem in den englischen Werften, die damals sehr viel hochwertiges Schnittholz benötigten, verbreiteten sich die Dampfsägewerke rasch; etwa 50 Jahre später dann auch auf dem europäischen Festland.
Der technische Fortschritt und das Ingenieurwissen ermöglichte auch Entwicklungen in andere Richtungen. 1777 liess ein Brite die Kreissäge patentieren und bald darauf gab es unzählige Varianten dieser neuen Technologie: Längsschnittkreissägen mit Blockwagen, Doppelwellenkreissägen, Besäumer, Pendel-Kreissägen und Rundholz-Kappsägen. Fast alles Sägen, die es heute noch gibt, erfunden im 19. Jahrhundert.
Der Weg zur Bandsäge war etwas schwieriger, da das sich immer biegende Sägeblatt hohe Anforderungen an die Metalllegierung stellte. 1855 auf der Pariser Weltausstellung wurden die ersten Bandsägen präsentiert, die an heutige Tischbandsägen für Schreiner erinnnern. Gut 20 Jahre später kamen die ersten Blockbandsägen auf.
1886 wurde in der Schweiz der Sägereiverband gegründet.
Um 1900 wiesen alle drei Sägetechnologien (Gatter, Band- und Kreissäge) die wesentlichen Grundzüge der heutigen Maschinen auf, wenngleich die Entwicklung natürlich nicht stehen geblieben ist und auch nicht stehen bleiben wird. Ab 1920 gab es die ersten brauchbaren Kettensägen zum Fällen und Ablängen von Rundholz, 1969 kamen die ersten Profilzerspaner auf den Markt. Heutige Sägelinien sind echte Hi-Tech-Linien mit modernster Mess-, Steuer- und Regeltechnik; wobei in vielen kleineren Sägereien auch noch Maschinen und Anlagen aus den 1960er-Jahren anzutreffen sind.
Wer sich intensiver mit der Geschichte der Sägereitechnik befassen will, findet hier die richtige Literatur.
Autor: Thomas Lüthi (www.th-luethi.ch)